Pet Nat, Naturwein und Orange Wein beim Vinocamp Rheinhessen 2018

Inhaltsverzeichnis

Ein zentraler Punkt im Vinocamp Rheinhessen sind die Diskussionen, aber mindestens genauso wichtig sind die Verkostungen. Neben dem Thema Liebfrau(en)milch hatte ich für die Sitzungen Pet Nat (Péttillant Naturel), Naturwein und Orangenwein wieder Weine aus der Region besorgt.
Auch hier wieder – vielen Dank an die Weingüter für die grosszügige Unterstützung!

Einige Teilnehmer waren bereits „alte Hasen“ aus den letzten Jahren im Vinocamp Rheinhessen – wir hatten bisher immer eine Orangenwein-Session. Wenn Ihr nachlesen wollt, wie das letzte Jahr war – hier der Link zum Blogbeitrag „Naturwein-Session Vinocamp Rheinhessen 2017“.

Was nicht nur ich diesmal besonders positiv fand, war, dass Winzer anwesend waren, die direkt über ihre besonderen Weine sprechen konnten. Das war wieder einmal spannender als eine „reine“ Verkostung – vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt! Und von denjenigen, die nicht dabei sein konnten, hatte ich ausführliche Informationen erhalten, die ich gerne an die Gruppe und nun an Euch weitergeben möchte.

Zum Auftakt führte uns Erik Riffel vom Weingut Riffel in das Thema Péttillant Naturel ein – Orangenwein und Naturwein sind den Meisten inzwischen gut bekannt.

Während bei der klassischen Sektherstellung mit Flaschengärung der Wein eine zweite Gärung in der Flasche durchläuft, wird beim Pet Nat der gärende Most bereits in die Flasche gefüllt und vollendet die Gärung auf der Flasche. Der Zeitpunkt der Abfüllung in die Flasche und damit der Restzuckergehalt ist hier sehr wichtig, da er die Bildung von Kohlensäure beeinflusst. Es liegt auch in der Entscheidung des Winzers, wie hoch der Flaschendruck ist und ob er degorgiert wird oder nicht.
Es gibt immer noch einen Unterschied zum Schaumwein – wenn degorgiert wird, gibt es keine Dosierung mit süßer Reserve – ein Pet Nat ist immer voll vergoren und trocken.
Eine weitere Besonderheit vieler Pet Nats ist die Gärung. Oftmals gärt der Wein auf der Maische, bis er dekantiert wird – also ein Orange-Schaumwein 🙂

Ich fand den allgemeinen Vergleich von Naturweinen mit handwerklichem Bier von Stefan Braunewell sehr treffend. Der Geschmack ist einfach anders und vor allem intensiver.
Ja, anders – aber nicht gleichbedeutend mit automatisch schlechter 😉

Hedesheimer Hof, „Schun besser“

  • Pet Nat
  • zweite Runde Naturwein (der erste kommt weiter unten),
  • und da er schon besser war… der Name 😉
  • transvasiert
  • Rebsorte: Muskateller
  • 24 g/l
  • 2 bar
  • klassische Brotgeschmacksrichtungen

Weingut Riffel
Pet Nat

  • präsente, aber sehr gut integrierte Tannine
  • Rebsorte: Weißburgunder und Scheurebe
  • unfiltriert und hefegetrübt
  • Birnenaromen und Kräuter, typische Hefenote
  • Alkohol: 11 % vol.
  • viel Spannung

Tipp des Winzers: Passt sehr gut zu fettigen und würzigen Speisen – da kommen die Tannine ins Spiel 😉

Natürlich Weinreich
„Perlen vor die Säue“

  • Pet Nat
  • obwohl nur sehr wenige Flaschen vorrätig sind, haben wir eine Musterflasche bekommen – DANKE!
  • kräftige Tannine
  • Integrierte Säurestruktur
  • ein Teilnehmer sagte spontan: „Erinnert mich an herzhaften Apfelwein“.
  • Kupferfarben mit orangefarbenen Reflexen
  • Blumen, Aromen von Honig und gelben Früchten, dezente Hefenote
  • 2016
  • Rebsorte: Riesling, Silvaner
  • Alkohol: 11,5% vol.
  • Restsüße 0,6 g/l
  • Säuregehalt 4,6 g/l
  • Flaschengärung 7 Monate

Weingut Braunewell
Sylvaner Brut Nature

  • Pet Nat
  • Aussehen und Präsentation ganz klassisch – hängt mit dem geplanten Absatzmarkt zusammen
  • „zahme“ Tannine
  • Steinobst- und reife Apfelaromen, typische Hefenote
  • Rebsorte: Sylvaner (Kalkstein, aus erster Ernte)
  • Alkohol: 12,5 % vol.
  • Säuregehalt: 4,9 g/l
  • Restzucker: 0,0 g

Nico Espenschied
„Rote Brause“

  • Pet Nat in Rot – das hatte vorher noch keiner von uns getrunken
  • viel Druck auf die Zunge
  • aromatisch
  • eine Explosion, die in Erinnerung bleiben wird 🙂
  • Traubensorte: Syrah & Cabernet Franc
  • Aromen von roten Früchten, Paprika und grünem Pfeffer
  • knackige Tannine

Weingut Schmitt
Pet Nat

  • „Wein ist vergorener Traubensaft, ein Naturprodukt. Wir sind überzeugt, dass er auf natürliche Weise behandelt werden muss“.
  • von Hand geerntet und mechanisch entrappt
  • waren eine Woche lang auf der Haut
  • gefüllt mit 20g/l Restzucker
  • einmal entgast und nicht geschwefelt, natürlich trüb
  • Rebsorte: Huxelrebe, Ortega und Bacchus
  • Trockenfrüchtearomen und Hefenote, präsente Tannine

 

Sylvaner

  • Naturwein
  • entrappte Trauben lagen sechs Wochen lang in offenen Bottichen auf den Schalen
  • in großem Holz gealtert
  • nach 9 Monaten abgefüllt, ohne Filtration und Schwefel
  • Aroma von Kräutern, Heu und sehr reifen gelben Früchten
  • Säure und Restsüße ausgeglichen
  • präsente Tannine und „typische“ natürliche Weinnoten in der Nase

Hedesheimer Hof
„Mussmernithunn“

  • Orangenwein
  • Rebsorte: Gelber Orléans aus Versuchsanbau, die älteste Rebsorte in Deutschland
  • mit Füßen gestampft
  • 2015 gelesen
  • barrique-fermentiert
  • ein Feuerwerk an Aromen und knackigen Tanninen
  • nicht zum Verkauf

Weingut Riffel
Silvaner Réserve

  • Naturwein
  • Der Begriff „Réserve“ ist in Deutschland nicht geschützt, deshalb wird er hier bewusst verwendet und eine höhere Qualität definiert
  • vollreife Trauben, die von Hand abgebeert und über 14 Tage vergoren werden
  • nach dem Pressen in neue Barriques und einjähriger Reifung auf der Vollhefe bei regelmäßiger Battonage
  • beim Abfüllen nur grob gefiltert
  • 2014
  • Rebsorte: Silvaner
  • Boden: Löß-Lehm, Quarzit – verleiht spürbare Mineralität
  • Alkohol: 12,5 % vol.
  • Restzucker: 0,1 g/l
  • Säuregehalt: 4,5 g/l

Weingut Gysler
Riesling Natur

  • Natürlicher Wein
  • anthroposophische und energetische Begleitung der Weinberge
  • Motto: „Weine von reinster Seele“.
  • Veredelung ohne jegliche Zusätze, auch ohne Schwefelzusatz
  • Weinlage „Vum Helle“ in Weinheim
  • Sorgfältig ausgewählt, von Hand geerntet, entrappt
  • 11 Monate lang in großen Holzfässern auf der Traubenhaut vergoren
  • ohne den Einsatz von Pumpe und Filter natürlich trüb auf die Flasche gezogen
  • 2016
  • Rebsorte: Riesling
  • Alkohol: 12,5% vol.

Weingut Balthasar Ress
Weissburgunder Orange Wine

  • von einem Teilnehmer aus Wiesbaden mitgebracht, wir erlauben auch einen Rheingauer Wein in der Runde 😉
  • 2016
  • Rebsorte: Weißburgunder
  • ungefiltert und nur mit wenig Schwefel gefüllt, wies es in unserer Probe eine klare Schwefelnote auf
  • bernsteinfarben mit rötlichen Reflexen
  • Aromen reifer Äpfel – Eindrücke von Leder-, Tabak- und Röstaromen

Nico Espenschied
„Bauchgefühl“ Pinot Blanc & Chardonnay
„Hautnah“ Red Traminer

  • Laura und Nico vertrauen ihrem Bauchgefühl – die Natur hat das letzte Wort
  • Trauben, die spät vom Saft getrennt und sehr schonend gepresst werden
  • spontan auf der Maische vergoren und Sur Lie im Holz
  • keine Schönungsmittel und nur schwach geschwefelt
  • beide Weine mit ausgewogener Säure, Restsüße und Tanninverhältnis, im „typischen“ Orangebereich – noch kantiger, aber sehr gut 🙂
  • Aprikosen- und Apfelaroma / mit dem roten Traminer diskrete blumige Noten
  • ausgewogene Orangeweine mit präsenter Mineralität und reifen Tanninen

Natürlich Weinreich

  • besonders wichtig ist eine gute Selektion und eine äußerst gesunde Ernte
  • maschinell entrappt und auf der Maische in abgedeckten 800l-Kisten fermentiert
  • 1-2 mal täglich leicht gestampft für besseren Kontakt der Trauben
  • 4-6 Wochen kühl gelagert
  • spontan fermentiert
  • Saft wird durch Schwerkraft in gebrauchte Fässer abgezogen (aufgrund der Gegebenheiten ist es mit viel Mühe möglich, den Wein nur einmal zu pumpen)
  • 5-6 Monate auf Feinhefe, ab und zu Battonage
  • kein Schwefel, keine Zusatzstoffe und keine Filtration
  • die Winzer selbst sind überrascht, „wie ähnlich sich die Jahrgänge im Laufe der Jahre auf natürliche Weise sind“, ohne dass sie mit Hilfe von Hilfsmitteln eine Ähnlichkeit herstellen müssen
  • alle Weine beeindrucken durch ein gutes Gleichgewicht von Säure und Restzucker, mit einer Mineralität, die in den tanninbeeinflussten Orangeweinen vorhanden ist

„Tacheles“

  • 2017
  • Rebsorte: Bacchus, Kerner, Silvaner
  • aus meiner Sicht ein „Anfängerorange“ aufgrund der Fruchtaromen, die die Tannine gut binden
  • Alkohol 10,5% vol
  • Restsüße 0,4 g/l
  • Säuregehalt 5,3 g/l
  • Maischegärung 1 Monat
  • Ausbau im 600-Liter-Fass für 5 Monate

„Des Wahnsinns Fette Beute“

  • 2017
  • Rebsorte: Chardonnay
  • Die Rebsorte kann eine gewisse „Üppigkeit“ bringen
  • Gosse Kino und der Orangewein macht seinem Namen alle Ehre
  • Alkohol 12,0% vol
  • Restsüße 0,3 g/l
  • Säuregehalt 5,1 g/l
  • Maischegärung 2 Monate
  • Ausbau im 600-Liter-Fass für 5 Monate

„Heiter  bis Wolkig“

  • 2016
  • Grape variety: Dornfelder, Kerner
  • in the tradition of the Rotling, this natural wine is developed – from my point of view it receives the advantages from both worlds
  • present tannins and apple aromas
  • alcohol 11,5% vol
  • residual sweetness 0,2 g/l
  • Acidity 5,2 g/l
  • Mash fermentation 1 month
  • Expansion half butt (600 Liter Barrel) 5 months

Weingut Eppelmann
„Orange“

  • 2015
  • Rebsorte: Grauburgunder
  • Maischegärung im Edelstahl durchlaufen
  • Barrique
  • 5 Monate auf Vollhefe
  • hatten wir auch letztes Jahr verkostet … da hatte er viel mehr Kanten und Ecken und schien nicht ganz ausgewogen
  • dieses Jahr die absolute Überraschung für uns alle – rund und harmonisch
  • Curry und kandierte Früchte
  • Tannine viel angenehmer integriert als letztes Jahr – großartig!

Fazit zu den Sessions über Pétillant Naturel, Naturwein und Orangewein:

  • Am Anfang waren diese Nischen-Weine oft durch ihre Fehler auffällig, aber inzwischen gibt es viele Winzer, die sich darauf spezialisiert haben und einige große Weine auf die Flasche bringen.
  • Wie wir gehört haben, spielt gerade bei dieser Art der Weinbereitung die Erfahrung im Umgang mit der Vinifikation eine sehr wichtige Rolle. Das kann nur bedeuten, dass es mit dem Wein weiter bergauf geht 😉
  • Der Vergleich mit handwerklichem Bier hat mir sehr gut gefallen – diese Weine schmecken einfach anders, und durch die Art und Weise, wie sie hergestellt werden, sind sie intensiver und ungewöhnlicher. Wenn Ihr bereit seid, Euch darauf einzulassen, gibt es viel zu entdecken.
  • Wird Orangewein oder Naturwein jemals den Mainstream erreichen oder muss er das überhaupt? Aus meiner Sicht – nein. Es bleibt eine Nische – aber eine wunderbare und aufregende – und lasst uns einfach sehen, was hier in den kommenden Jahren passieren wird.
  • … und natürlich werde ich im Jahr 2020 im vierten Vinocamp Rheinhessen erneut versuchen, eine Sitzung über Pet Nat, Naturwein und Orangewein zu organisieren … wenn es das ist, was die Teilnehmer wünschen 😉