Liebfrauenmilch – besser als ihr Ruf?

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Nachdem ich im vergangenen Jahr in den Medien immer wieder über das Thema Liebfrau(en)milch gestolpert war, dachte ich, dass dies ein gutes Thema für eine Session beim dritten Vinocamp Rheinhessen sein könnte.
Als ich erfuhr, dass Heiner Maleton, der bereits das erste Vinocamp Rheinhessen als Winzer bereichert hatte, nun im Weingut Wormser Kirchenstück arbeitete, war klar, wo ich anfangen konnte.
Er arrangierte für mich einen Termin in der Vinothek Valckenberg, und Herr Queins von der Geschäftsleitung nahm sich unglaublich viel Zeit für mich, um etwas Licht in das Thema Liebfrauenmilch zu bringen. Wir gingen auch auf das Kirchengelände, damit ich sehen konnte, wo alles begann, und Heiner zeigte mir auch die Weinkeller.
Dafür möchte ich ihm an dieser Stelle herzlich danken!

Zunächst bekam ich einen historischer Rückblick, der bis ins 14. und 15. Jahrhundert zurück reichte.
Zu dieser Zeit gab es bereits erste Berichte von Pilgern, die die Liebfrauenmilch lobten. Wie kam es zu dieser Lobpreisung?
Das Kapuzinerkloster Liebfrauenstift lag am Jakobsweg und bot den Pilgern auf ihrer Reise Unterkunft an. Wasser war damals, was die Sauberkeit betraf, nicht das Getränk der Wahl, und so gaben die Schwestern den Pilgern den hausgemachten Wein zu trinken. Dieser Wein wurde in den umliegenden Weinbergen angebaut und wurde von allen hoch gelobt. Man sagt, er sei „so gut wie die Milch der lieben Frauen“, und während des Gebetes zu „Unserer Lieben Frau vom Schutzmantel“ gab es sicherlich ein zusätzliches Dankgebet für den köstlichen Tropfen.
Zeitungen waren zu dieser Zeit noch nicht bekannt, so dass die Pilger auch die Funktion hatten, Nachrichten zu übermitteln. Eine der besonders interessanten und guten Nachrichten, die sie in die Welt trugen, war natürlich das Lob des Weines, den sie im Liebfrauenstift getrunken hatten. Damit war der Grundstein dafür gelegt, dass die Liebfrauenmilch auch Jahrhunderte später regelmäßig getrunken und selbst in der britischen Königsfamilie hoch geschätzt wurde.

So weit zum positiven Teil der Geschichte, denn wie immer – wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten.
Leider wurde der Name Liebfrau(en)milch nicht geschützt, und einigen schwarzen Schafen gelang es, seinen Ruf ernsthaft zu schädigen. Als 1908 das erste Weingesetz in Kraft trat, waren der Begriff und die Qualität bereits so „verwässert“, dass selbst die klare, aber viel zu weite Definition dem nicht mehr Einhalt gebieten konnte. Wenn Ihr heute Liebfrauenmilch googelt, fasst ein Zitat das Bild, das Ihr erhaltet, sehr treffend zusammen: „Liebfrauenmilch ist die ultimative Verkörperung des schlechten deutschen Weins“.

Ob es Minister Wissing oder einige Winzer waren, die experimentierfreudig waren und 2017 die Weingesellschaft Liebfrauenmilch gründeten und damit das Thema Liebfrauenmilch wieder ins Rampenlicht rückten, ist für mich schwer zu sagen. Tatsache ist aber, dass es sich wieder um ein relevantes Thema handelt, das wir in einer Session im Vinocamp Rheinhessen von verschiedenen Seiten beleuchtet haben.

Rechtlicher Hintergrund

Zunächst erst einmal die rechtliche Grundlage, auf der sich Wein Liebfrau(en)milch nennen darf.
§ 24 Abs. 2 Weingesetz in Verbindung mit § 33 Weinverordnung.
§ 33 Weinverordnung

(1) Qualitätsweißwein aus den bestimmten Anbaugebieten Nahe, Pfalz, Rheingau und Rheinhessen darf nur dann als „Liebfrauenmilch“ oder „Liebfraumilch“ bezeichnet werden, wenn

  1. zu mindestens 70 % aus Trauben der Rebsorten Riesling, Silvaner, Müller-Thurgau oder Kerner hergestellt ist und sich nach dem Geschmack dieser Rebsorten richtet und
  2. der Restzuckergehalt innerhalb der Spanne liegt, die für die Angabe des Geschmacks „süß“ in Anhang XIV Teil B der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 zulässig ist.
    […]
  3. Bei dem in Abschnitt 1 genannten Wein sind die Angabe einer Rebsorte und der Name einer geographischen Einheit, die kleiner als das bestimmte Anbaugebiet ist, nicht zulässig.

So viel zur Theorie …
Gibt es wirklich eine Liebfrau(en)milch, mit der man das Bild des 19. Jahrhunderts nachempfinden und die entsprechende Qualität ins Glas bringen könnte?
Dieser Frage sind wir bei unserer Verkostung nachgegangen.

Winery Klostermühlenhof, Wahlheimer Hof

Herr Ruzycki erklärte mir bei der Übergabe der Probeflasche, dass er durch die Zeitungen, d.h. durch ein Interview mit Minister Wirsing, auf das Thema Liebfrauenmilch aufmerksam geworden sei. Aus seiner Sicht war der Begriff absolut konservativ und bei jungen Leuten überhaupt nicht präsent.
Da er einen Nachfolger für seinen süßeren Wein im Sortiment brauchte, hielt er es für eine lustige Idee, etwas Anderes zu machen. Es war ihm klar, dass er „superfruchtig“ sein sollte und dass das Etikett völlig neu gestaltet werden sollte, mit einer analytischen Schriftart.
Seit 2016 führt er Liebfrauenmilch in seinem Sortiment und hat gutes bis sehr gutes Feedback erhalten.

Wein Info:

  • Traubensorten:
    Müller Thurgau, Bacchus, Kerner, Sauvignon Blanc
  • Restzucker: 19,7 g/l
  • Säuregehalt: 6,9 g/l
  • Alkohol: 11,1 %.

Winery Pfeiffer, Gau-Algesheim

Durch die Diskussionen in den Medien wurde Herr Pfeiffer auch auf Liebfrauenmilch aufmerksam. Der Name bedeutete ihm etwas, aber er kannte ihn nur aus seiner Berufsschulzeit. Da auch dieses Weingut in Gau-Algesheim sein Angebot an Süßweinen erweitern wollte, dachte er, „dass man daraus doch noch etwas machen könnte“. Seit 2017 steht Liebfrauenmilch auf seiner Produktliste, und nach einer vorsichtigen ersten Abfüllung ist die zweite Füllung bereits fast ausverkauft. Für ihn steht fest, dass er mit Liebfrauenmilch weitermachen wird!
Zwei witzige Details am Rande:

  • seine eigene Liebfrauenmilch war die erste, die er je getrunken hat
  • auf dem sehr hochwertigen Etikett hat die Madonna das Gesicht seiner Frau … wenn dies keine Huldigung ist, dann weiß ich nicht, was sonst 🙂

Wein Info:

  • Traubensorten:
    71% Riesling & Müller Thurgau (je 50:50) und 29% Sauvignon Blanc
  • Restzucker: 18,1 g/l
  • Säuregehalt: 6,2 g/l
  • Alkohol: 10,9 %.

Winery Klosterhof Lösch

Herr Lösch wollte die Idee der Liebfrauenmilch nicht „Außenstehenden“ überlassen, zumal seine Liebfrauenmilch aus dem Wormser Liebfrauenmorgener Weinlage stammt.
Im Jubiläumsjahr Rheinhessen 2016 hatte er einen Süßwein auf den Markt gebracht, den er 18/16 nannte und der gut ankam. Auf der Suche nach einem „Nachfolgernamen“ kam die aktuelle Diskussion genau zum richtigen Zeitpunkt und mit dem Standort am Skulpturenweg hatte die Idee für das Etikett bereits Gestalt angenommen – die Wormser Wonnefrau trägt dazu bei, dass der Wein sicher erkannt wird.
Seiner Erfahrung nach ist es schwierig, den Wein rein über die Weinkarte zu verkaufen, aber wer ihn verkostet hat, ist regelmäßig angenehm überrascht! Auch seine neue Kreation kommt bei den Kunden gut an, wenn auch in einer kleinen Auflage (600l).

Wein Info:

  • Traubensorten:
    40% Müller Thurgau, 40% Riesling, 20% Kerner
  • Restzucker: 18,1g/l

Valckenberg

Der Klassiker!
Wenn man an Liebfrauenmilch denkt, kommt man nicht umhin, an den Namen Valckenberg zu denken!

Die Familie Valckenberg ist seit 1786 im Weinhandel tätig und erwarb nach der Säkularisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Kapuzinerkloster und einen großen Teil der dazugehörigen Weinberge. Von diesem Zeitpunkt an waren sie nun auch Weinproduzenten.
Sie legten von Anfang an großen Wert auf Qualität und waren Anfang des 20. Jahrhunderts eine der ersten Firmen, die den Namen „Madonna“ als Marke für ihre Liebfrauenmilch schützen ließen. Die Liebfrauenmilch aus Valckenberg war immer als ein sauberer, guter und schmackhafter Wein im Einstiegspreissegment gedacht und für den Export bestimmt.
Mit dem Qualitätsgedanken vor Augen distanzierten sie sich auch von den Preiskämpfen, die in anderen Teilen der Welt, insbesondere in Großbritannien, stattfanden, und setzten weiterhin auf Qualität. Da Japan nicht so preisempfindlich war, blieb das Land über die Jahrzehnte ein stabiler Markt für die Marke Madonna.
Herr Queins sagte, dass es in Japan anscheinend gute Stil sei, zu besonderen Anlässen mit einer Madonna anzustoßen 🙂

Seit 2008 werden in der Madonna keine Trauben vom ursprünglichen Standort des Liebfrauenstiftes in Worms mehr verwendet.

… und eine kleine Info am Rande …
Das Weingut Liebfrauenstift ist seit 2016 wieder eigenständig und der Jahrgang 2018 wird der erste mit Heiner als Kellermeister sein – wir drücken die Daumen!
Oh, und ich denke, es wird alles andere als Liebfrauenmilch sein 😉
Die Riesling-Fans unter Euch könnt Euch schon jetzt auf den Start freuen!

Wer von Ihnen war schon einmal im Wormser Konvent?
Ich war wirklich beeindruckt von der Größe der Weinberge, die sich hier mitten in der Stadt befinden!

Wein Info:

  • Jahrgangs-Liebfraumilch
  • Traubensorten:
    Müller Thurgau, Silvaner, Riesling
  • Restzucker: 43 g/l
  • Säuregehalt: 5,7 g/l
  • Alkohol: 9%.

Hammel & Cie

Herr Hammel wird oft mit Aussagen zitiert wie „Tradition bedeutet nicht, die Asche zu bewahren, sondern die Flamme anzufachen!“
Und auf die Frage, warum er die Liebfrauenmilch „zurück auf die Bühne“ bringt, sagt er gerne: „Weil das Ding einfach sexy ist und sexy Dinge nie aus der Mode kommen.“
Er beschreibt seine Liebfrauenmilch als saftig, aromatisch, spritzig und luftig, die sich gut gekühlt einfach so oder als Aperitif genießen lässt und auch perfekt mit Speisen kombiniert werden kann.
Seine Liebfrauenmilch gibt es sogar in zwei verschiedenen Qualitätsstufen:
Liebfrauenmilch und Liebfrauenmilch Premium
Sie unterscheiden sich in der Cuvée, d.h. in der Zusammensetzung und in der Reifung. Die Premium-Variante wird in Holz gereift.

Wein Info Liebfrauenmilch 2017 • Liebfrauenmilch Premium 2016:

  • Traubensorten:
    Müller Thurgau, Silvaner, Riesling • Müller Thurgau, Scheurebe, Riesling
  • Restzucker: 19,6 g/l • 20,1 g/l
  • Säuregehalt: 6,7 g/l • 7,2 g/l
  • Alkohol: 11,5% • 11,5%

Balthasar Ress

Der Kellermeister und Winzer Dirk Würtz möchte mit seinem Wein „Verbotener Genuss“ die verstaubten Vorurteile gegenüber der deutschen Liebfrauenmilch ablegen.
Das Etikett weist auf die Grundlage aller Versuchungen hin:
Um die beiden Buchstaben F und P winden sich Äste eines Apfelbaums und eine Schlange – ein weiterer Hinweis auf den „verbotenen Genuss, der in der Flasche versteckt ist“.

Wein Info:

  • Traubensorten:
    Riesling, Müller-Thurgau, Bacchus, Silvaner und Kerner
  • Restzucker: 23 g/l
  • Säuregehalt: 7,3 g/l
  • Alkohol: 10,5%.

Fazit zum Thema Liebfrau(en)milch:

  • Alle Teilnehmer waren überrascht, dass wir wirklich gute Qualitätsweine in unseren Gläsern hatten, die alle wunderschön verarbeitet waren.
  • Die Reifungsvarianten waren sehr spannend
    … von ganz klassisch im Einsteigersegment
    … über fruchtig modern mit Sauvignon Blanc
    … bis hin zur aufwändigen Alterung in Holz
  • Wie immer beim Wein sind viele Dinge Geschmackssache – wir konnten bei den Abstimmungen keinen klaren Favoriten finden 🙂
  • Eine Idee kam auf:
    Vielleicht wäre es eine Überlegung wert, dass jeder gute Winzer in Rheinhessen einen Liebfrau(en)milch als Restsüsswein in seinem Weinsortiment führt. So könnte jeder Kunde direkt erkennen, dass dieser Wein bestimmte Kriterien wie Rebsorten und Restsüße erfüllt und dennoch individuell sein kann – so wie jeder Wein von jedem Winzer seinen eigenen Charakter hat.

Wer weiß, mal sehen, was an der Liebfrauenmilch-Front noch so los ist – ich halte Euch auf dem Laufenden 🙂